Philipp Guttmann, LL. B.

Definitionen: Strafrecht: allgemeiner Teil (StrafR AT)

75 Definitionen und Erklärungen zum StrafR AT
aberratio ictus
Aberratio ictus ist eine Abweichung zwischen anvisiertem und getroffenem Objekt (Fehlgehen des Tatverlaufes). Trifft der Täter ein Objekt, das er nicht anvisiert hatte, ist der Irrtum beachtlich, wenn das getroffene Objekt nicht rechtlich gleichwertig zum anvisierten Objekt ist. Sind die Objekte rechtlich gleichwertig, ist umstritten, ob der Irrtum [1] stets unbeachtlich, [2] unbeachtlich bei vorhersehbarer Abirrung oder [3] jedenfalls bei höchstpersönlichen Rechtsgütern beachtlich sein soll.
Abstiftung
Eine Abstiftung liegt vor, wenn der Haupttäter bestimmt wird, statt der Qualifikation eines Tatbestandes lediglich sein Grundddelikt zu begehen. Sie wird wie eine Beihilfe behandelt.
agent provocateur
Als agent provocateur wird jemand bezeichnet, der einen anderen zu einer Straftat anstiftet, um ihn deretwegen zu überführen. Er macht sich dabei jedenfalls dann nicht der Anstiftung strafbar, wenn sein Vorsatz nicht die Vollendung der Tat umfasst.
Aggressiv­notstand
Der Aggressivnotstand ist ein Rechtfertigungsgrund, der eine Notstandslage, eine Notstandshandlung sowie ein subjektives Rechtfertigungselement voraussetzt. Die Notstandslage liegt bei einer gegenwärtigen beliebigen Gefahr vor. Die Notstandshandlung ist das erforderliche und verhältnismäßige Einwirken auf eine Sache, von der die Gefahr nicht ausgeht. Verhältnismäßig ist das Einwirken, wenn das geschützte Rechtsgut dem beeinträchtigten wesentlich überwiegt. Als Sonderregelung geht der Aggressivnotstand dem rechtfertigenden Notstand vor.
angemessen (Notstand)
Angemessenheit ist die Einschränkung des rechtfertigenden Notstands. Angemessen ist der Eingriff in fremde Rechtsgüter bei einem Notstand möglicherweise nicht beim Nötigungsnotstand, bei zwanghaften Blutspenden, bei symmetrischer Verteilung von Rettungschancen (Weichenstellerfall) oder bei asymmetrischer Verteilung von Rettungschancen (Flugzeugabschussfall / Bergsteigerfall). Ein nicht angemessener Notstand ist rechtswidrig.
Angriff (Notwehr)
Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten (bei besonderer Rechtspflicht auch: Unterlassen) drohende Verletzung von rechtlich geschützten Gütern oder Interessen. Auch von Menschen eingesetzte Tiere zählen zu einem Angriff im Sinne der Notwehr, ansonsten gilt § 228 BGB.
Anstiftung (Anstifter) / zur Tat bestimmen
Anstiftung ist eine Form der Teilnahme. Zur Haupttat bestimmen (anstiften) meint [1] die Verursachung des Tatentschlusses, [2] eine kommunikative Beeinflussung des Täters durch den Anstifter oder [3] ein unmittelbar aufforderndes Einwirken auf den Willen des Täters (kollusives Zusammenwirken). Siehe auch: Umstiftung, Aufstiftung, Abstiftung, Kettenanstiftung Der Anstifter muss in seinem Vorsatz die Haupttat in ihrem wesentlichen Umriss erfasst haben. Hierzu muss er [1] das konkret-individuelles Geschehen erkennen können oder [2] die wesentlichen Dimensionen des Unrechts erfassen. Ein Anstiften zur Beihilfe wird wie eine Beihilfe behandelt.
antizipierter Rücktritt
Unter einem antizipierten Rücktritt versteht man eine Tat, bei der von den Tatbeteiligten von vornherein geplant ist, entsprechende Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Es ist umstritten, ob [1] der Täter von einer solchen Tat zurücktreten kann oder [2] es sich bei bereits vorher eingeleiteten Rettungsmaßnahmen nicht um eine Verhinderung der Tat im Sinne des § 24 I 1 Var. 2 StGB handelt.
aufgedrängte Nothilfe
Aufgedrängte Nothilfe ist eine Nothilfe zur Verteidigung eines Dritten gegen dessen Willen. Diese Verteidigung gegen den Angreifer [1] ist auch bei entgegenstehenden Willen des Angegriffenen gerechtfertigt, solange dieser nicht bereits auf den Verzicht seines Rechtsguts eingewilligt hat, oder [2] ist nur mit tatsächlicher oder mutmaßlicher Einwilligung des Angegriffenen möglich sowie zur Abwehr eines tödlichen Angriffs.
Aufstiftung
Eine Aufstiftung liegt vor, wenn der Anstifter den Haupttäter bestimmt, statt des Grunddelikts eine Qualifikation zu begehen. Dies stellt [1] stets eine Anstiftung zur Qualifikation dar oder [2] es wird nach dem analytischen Trennungsprinzip entschieden, wonach zu Qualifikationen mit eigenständigem Tatbestand Anstiftung und zur Qualifikation selbst Beihilfe vorliegt.
beendeter Versuch
Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt, alles Nötige zur Tatbestandsverwirklichung getan zu haben. Beim Unterlassungsdelikt ist der Versuch beendet, wenn nach der Vorstellung des Täters das Nachholen der ursprünglich gebotenen Handlung nicht mehr ausreicht, den Erfolg abzuwenden.
Beihilfe (Gehilfe) / Hilfe leisten
Beihilfe ist eine Form der Teilnahme. Hilfe leisten umfasst sowohl physische als auch psychische Beihilfe. Der Gehilfenbeitrag muss die Haupttat [1] in irgendeiner Weise fördern, [2] mitverursachen oder [3] das Risiko für das angegriffene Rechtsgut erhöhen. Psychische Beihilfe kann bereits in der Bestärkung des Tatentschlusses des Haupttäters liegen. Der Gehilfe muss für seinen Vorsatz lediglich den wesentlichen Unrechtsgehalt der Haupttat erfasst haben. Siehe auch: neutrale Beihilfe
Berg­steigerfall / asymmetrische Rettungs­chancen
Der Bergsteigerfall wird im Rahmen der Angemessenheit des rechtfertigenden Notstands diskutiert und beschreibt einen Fall asymmetrischer Rettungschancen, bei dem die Rettungschancen einseitig verteilt sind, weil der eine Gefährdete ohnehin später sterben würde, während nur der andere Gefährdete eine Chance zu überleben hat. Derjenige, der den Todgeweihten tötet, ist [1] nach § 34 StGB gerechtfertigt oder [2] aufgrund einer unzulässigen Quantifizierung von Menschenleben sowie einer Verdinglichung und Entrechtung von Menschen (Verletzung der Menschenwürde) nicht gerechtfertigt.
Beschützer­garant (Obhuts­pflichten)
Der Beschützergarant hat gegenüber Dritten die Pflicht, sie vor der Welt zu beschützen (Obhutspflichten). Obhutspflichten erstrecken sich über (effektive) Familiengemeinschaften sowie Lebensgemeinschaften und Gefahrengemeinschaften. Beschützergarant kann jemand auch durch die Übernahme von Schutzpflichten sowie aufgrund einer Stellung als Organ, Amtsträger oder Beamter werden.
Defensiv­notstand
Der Defensivnotstand ist ein Rechtfertigungsgrund, der eine Notstandslage, eine Notstandshandlung sowie ein subjektives Rechtfertigungselement voraussetzt. Die Notstandslage liegt bei einer gegenwärtigen Gefahr vor, die von einer Sache oder einem Tier ausgeht. Die Notstandshandlung ist das erforderliche und verhältnismäßige Zerstören oder Beschädigen dieser Sache / dieses Tieres. Verhältnismäßig ist das Zerstören oder Beschädigen, wenn das geschützte Rechtsgut nicht weniger wert ist als das beeinträchtigte. Als Sonderregelung geht der Defensivnotstand dem rechtfertigenden Notstand vor.
Dispositions­befugnis
Die Dispositionsbefugnis ist eine objektive Voraussetzung der Einwilligung. Der Einwilligende hat die Dispositionsbefugnis, wenn er Rechtsgutinhaber (oder ein ihn Vertretender) ist und das in Frage stehende Rechtsgut disponibel ist. Disponibel sind alle Individualrechtsgüter mit Ausnahme des Lebens.
dolus directus I (Absicht)
Dolus directus I ist eine Vorsatzform, bei der es dem Täter gerade darauf ankommt, den Erfolg herbeizuführen oder einen bestimmten Umstand zu verwirklichen (zielgerichtetes, absichtliches Handeln). Dabei muss er jedoch die Verwirklichung des Tatbestandes wenigstens für möglich halten.
dolus directus II (direkter Vorsatz)
Dolus directus II ist eine Vorsatzform, bei welcher der Täter weiß oder als sicher voraus sieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht (wissentliches Handeln).
dolus eventualis (Eventual­vorsatz, bedingter Vorsatz)
Dolus eventualis ist eine Vorsatzform, bei welcher der Täter die (Gefahr der) Verwirklichung des Tatbestandes für konkret möglich oder wahrscheinlich halten muss (kognitives Element) und ggf. den Erfolg des Tatbestandes billigend in Kauf nehmen oder gleichgültig hinnehmen muss (voluntatives Element). Der bedingte Vorsatz ist ausgeschlossen, wenn der Täter darauf vertraut bzw. hofft, dass der Erfolg ausbleiben werde.
ein­geschränkte Schuld­theorie (Erlaubnis­tatbestands­irrtum)
Die eingeschränkte Schuldtheorie zum Erlaubnistatbestandsirrtum spaltet sich in die Vorsatzschuld verneinende und die Vorsatzunrecht verneinende Theorie. Nach der Vorsatzschuld verneinenden Theorie (auch rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie) richtet sich die Rechtsfolge des Irrtums nach § 16 I StGB analog, wonach der Täter bei beachtlichem Irrtum zwar für sein Verhalten entschuldigt ist (keine „Vorsatzschuld“), sein Vorsatz jedoch nicht entfällt. Nach der Vorsatzunrecht verneinenden Theorie hingegen soll der Vorsatz entfallen. Siehe auch: modifizierte Vorsatztheorie, strenge Schuldtheorie
Ein­verständnis
Das Einverständnis ist das Einverstandensein mit der Verletzung eines Rechtsguts und schließt die Tatbestandsmäßigkeit eines Delikts aus. Der Rechtsgutsinhaber kann mit seinem Einverständnis den objektiven Tatbestand nur derjenigen Delikte ausschließen, deren Verwirklichung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen möglich ist (etwa Wegnahme einer Sache, Eindringen in eine Räumlichkeit). Das Einverständnis erfordert eine natürliche Willensfähigkeit und einen innerlich freien Willensentschluss. Vgl. auch: (rechtfertigende) Einwilligung
Einsichts- und Urteils­fähigkeit
Jemand ist einsichts- und urteilsfähig, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife imstande ist, Bedeutung und Tragweite seines Handelns zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen; es kommt insofern auf das Verständnis an.
Einwilligung
Im Zivilrecht (BGB): Eine Einwilligung nach § 183 BGB ist eine Form der Zustimmung vor dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts. Sie kann grundsätzlich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerrufen werden (§ 183 S. 1 BGB). Für Verfügungen eines Nichtberechtigten gilt § 185 I BGB. Im Strafrecht (StGB): Eine Einwilligung ist ein Rechtfertigungsgrund, der den Verzicht auf ein disponibles Rechtsgut beinhaltet. Siehe: rechtfertigende Einwilligung, konkludente Einwilligung, hypothetische Einwilligung
ent­schuldi­gender Notstand
Der entschuldigende Notstand ist ein Entschuldigungsgrund, bei dem der Täter die Grenzen des rechtfertigenden Notstands überschreitet. Er setzt eine Notstandslage, eine Notstandshandlung sowie ein subjektives Element (jedenfalls Kenntnis der Notstandslage) voraus. Die Notstandslage liegt bei einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib oder (Fortbewegungs-)Freiheit für sich, Angehörige oder andere nahestehende Personen vor. Die Notstandshandlung ist der erforderliche Eingriff in fremde Rechtsgüter. Wer Angehöriger ist, ergibt sich aus § 11 I Nr. 1 StGB. Nahestehende Personen sind solche, deren Gefährdung für den Täter eine starke seelische Zwangslage bewirken kann. Eingeschränkt werden kann der entschuldigende Notstand durch:
  • krasses Missverhältnis (unerhebliche Gefahr)
  • Herbeiführung der Notstandslage durch den Täter
  • Gefahrtragungspflicht durch besonderes Rechtsverhältnis
  • Gefahrtragungspflicht bei Gefahrengemeinschaften
erforderlich
Erforderlich ist eine Handlung, wenn sie - in einer objektiven ex-ante-Betrachtung - geeignet ist und unter den zur Verfügung stehenden Mitteln das mildeste darstellt (relativ mildestes Mittel), um die Gefahr / den Angriff abzuwenden. Bei Notwehr: Das Maß der Erforderlichkeit wird durch die Intensität des Angriffs bestimmt. Geeignet ist die Verteidigungshandlung, wenn sie den Angriff in seiner konkreten Gestalt zumindest erschwert. Relativ mildestes Mittel ist dasjenige, welches unter gleich wirksamen Mittel den geringsten Schaden anrichtet. Bei rechtfertigenden Notstand: Ausweichen oder die Inanspruchnahme erreichbarer staatlicher Hilfe ist vorrangig. Es gilt den Eingriff in fremde Rechtsgüter so minimal wie möglich zu halten und vorrangig eigene Mittel zur Gefahrbeseitigung zu nutzen. Bei entschuldigenden Notstand: Die Notstandshandlung des § 35 StGB muss als ultima ratio den einzigen und letzten Ausweg aus der Notstandslage mit einer nicht ganz unwahrscheinlichen Rettungsmöglichkeit darstellen. Vorrangig ist die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter. Jedenfalls, wenn der eigene sichere Tod droht, ist das Handeln des Täters erforderlich.
Erlaubnis­tatbestands­irrtum
Ein Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn sich der Täter irrtümlich Tatumstände vorstellt, deretwegen er glaubt, sein Verhalten sei gerechtfertigt/erlaubt. Die Bewertung des Erlaubnistatbestandsirrtums ist sehr umstritten und umfasst folgende Ansichten: modifizierte Vorsatztheorie, strenge Schuldtheorie, eingeschränkte Schuldtheorie
ernsthaft bemühen (Rücktritt)
Der Täter bemüht sich ernsthaft, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn er sein Bemühen selbst für geeignet hält, den Erfolgseintritt abzuwenden.
error in persona vel objecto
Error in persona vel objecto ist eine Abweichung zwischen vorgestelltem und anvisiertem/getroffenem Objekt (Verwechselung). Trifft der Täter ein anvisiertes Objekt, über dessen Identität er irrt, ist der Irrtum unbeachtlich, wenn das getroffene Objekt dem vorgestellten (erwarteten) rechtlich gleichwertig ist. Sind die Objekte nicht rechtlich gleichwertig, ist der Irrtum beachtlich.
Fahrlässigkeit (sorgfaltswidrig)
Fahrlässig (sorgfaltswidrig) handelt, wer nicht die Sorgfalt angewendet hat, die von einem besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Täters zu erwarten ist. Vgl. § 276 II BGB. Bei sorgfaltswidrigem Unterlassen kann sich die Fahrlässigkeit insbesondere aus der fehlerhaften Vornahme der Rettungshandlung, dem Verkennen der Garantenstellung oder von Rettungsmöglichkeiten ergeben.
fehl­geschlagener Versuch
Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn der Täter den Taterfolg mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr oder nicht ohne zeitliche Zäsur herbeiführen kann. Der Rücktritt ist bei einem fehlgeschlagenen Versuch ausgeschlossen.
freiwillig (Rücktritt)
Der Rücktritt ist freiwillig, wenn sich der Täter [1] durch seelischen Druck und nicht durch eine äußere Zwangslage, [2] aus autonomen und nicht aus heteronomen Motiven oder [3] entgegen der Verbrechervernunft entscheidet, die weitere Ausführung der Tat aufzugeben oder sie zu verhindern.
Garant / Handlungs­pflichten
Eine Garantenstellung ist die Rechtspflicht des Unterlassenden zu einer Handlung, die aus Gesetz, Vertrag, Ingerenz (vorangegangenes gefährdendes Tun) sowie durch enge Lebensbeziehungen entstehen kann. Man unterscheidet Beschützergaranten und Überwachergaranten.
geboten (Notwehr)
Gebotenheit ist die Einschränkung der Notwehr. Geboten ist die Verteidigung durch Notwehr möglicherweise nicht, wenn der Verteidiger den Angriff veranlasst hat (Notwehrprovokation), der Angriff von Kindern, Geisteskranken und schuldlos Irrenden ausgeht, ein krasses Missverhältnis vorliegt oder der Angreifer dem Verteidiger nahesteht. In solchen Fällen ist der Verteidiger meist auf Schutzwehr statt Trutzwehr beschränkt. Eine nicht gebotene Notwehr ist rechtswidrig.
Gefahr
Gefahr für ein Rechtsgut besteht, wenn seine Verletzung durch Eintritt eines Schadens droht (Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts). Bei rechtfertigenden Notstand: Es wird eine ex-ante-Betrachtung mit Berücksichtigung des Sonderwissens des Notstandstäters vorgenommen. Umfasst sind auch Dauergefahren, die jederzeit in eine Rechtsgutsbeeinträchtigung umschlagen können. Die Gefahr kann auch von einem Menschen ausgehen. Bei entschuldigenden Notstand: Es ist auch der Nötigungsnotstand umfasst.
gegenwärtig
Gegenwärtig ist ein Angriff / eine Gefahr, der/die unmittelbar bevorsteht, gerade begonnen hat oder noch andauert (noch nicht beendet ist). Bei rechtfertigenden Notstand: Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn die Weiterentwicklung eines Zustands den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt. Dauergefahren sind gegenwärtig, wenn sie so dringend sind, dass sie nur durch unverzügliches Handeln wirksam abgewendet werden können. Bei entschuldigenden Notstand: Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn der Eintritt der Schädigung sicher oder höchstwahrscheinlich ist, sollten nicht rechtzeitig Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.
Handlung
Eine Handlung ist die vom Willen getragene Körperbewegung des Tatsubjektes (Täter) gegen ein Tatobjekt, wozu auch Affekthandlungen und durch ständige Wiederholung entstandene Automatismen gehören. Keine Handlungen sind etwa Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit, im Schlaf, bei Krämpfen oder Reflexbewegungen.
hypothetische Einwilligung
Unter dem Begriff der hypothetischen Einwilligung werden Fälle der Heilbehandlung diskutiert, bei welcher der Einwilligende zwar mangels ordnungsgemäßer Aufklärung nicht wirksam eingewilligt hat, jedoch bei hinreichender Aufklärung wohl eingewilligt hätte. Dann [1] ist die vorgenommene Heilbehandlung zwar rechtswidrig, jedoch nicht dem Tatbestand der Körperverletzung zuzurechnen, [2] entfällt die Rechtswidrigkeit, wenn der Patient bei wahrheitsgemäßer Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte oder [3] ist der Aufklärungsmangel nur irrelevant, wenn eine Einwilligung auch bei vollständiger Aufklärung mit Sicherheit erteilt worden wäre.
Kausalität (Äquivalenz­theorie)
Kausal (ursächlich) ist jedes Handeln, das nicht hinweeggedacht (bei Unterlassen: hinzugedacht) werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (Äquivalenztheorie - conditio sine qua non).
Ketten­anstiftung
Als Kettenanstiftung wird eine Anstiftung zur Anstiftung bezeichnet. Sie wird wie eine gewöhnliche Anstiftung behandelt.
konkludente Einwilligung
Die konkludente Einwilligung ist ein Rechtfertigungsgrund, der im Gegensatz zur rechtfertigenden Einwilligung den mutmaßlichen Willen des Rechtsgutsträgers (ex ante) voraussetzt, für den seine individuellen Interessen, Wünsche und Wertvorstellungen zu berücksichtigen sind. Nicht infrage kommt der mutmaßliche Wille, wenn der Rechtsgutsträger bereits einen entgegenstehenden geäußert hat. Subjektiv wird vorausgesetzt, dass der Täter im Interesse des Rechtsgutsträgers handelt.
limitierte Akzessorietät
Unter limitierter Akzessorietät versteht man die in § 28 StGB geregelten Ausnahmen der Akzessorietät des Teilnehmers von der Haupttat im Falle besonderer persönlicher täterbezogener Merkmale. Fehlen beim Teilnehmer strafbegründende Merkmale, so werden sie ihm bei Kenntnis zugerechnet, seine Strafe ist aber zu mildern (§ 28 I StGB). Strafmodifizierende Merkmale finden nur bei dem Teilnehmer Anwendung, bei dem sie selbst vorliegen (§ 28 I StGB). Die limitierte Akzessorietät ist insbesondere relevant für die Teilnahme am Mord (§ 211 StGB), bei dem Rechtsprechung und Literatur darüber streiten, ob er ein eigener Tatbestand oder eine Qualifikation ist.
Mittäterschaft
Mittäterschaft im Sinne des § 25 II StGB ist die gemeinschaftliche Begehung einer Straftat durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken, bei der jeder Beteiligte einen eigenen Tatbeitrag leisten muss. Nach der [1] subjektiven Theorie soll der Beitrag des Beteiligten nach seinem Willen Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein, bei der er als gleichberechtigter Partner mitwirkt, während nach der [2] Tatherrschaftslehre jeder einzelne Beteiligte (gemeinsame) Tatherrschaft haben muss, wofür die Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans arbeitsteilig zusammenwirken müssen. Subjektiv ist gemeinsamer Tatentschluss erforderlich.
mittelbare Täterschaft
Mittelbarer Täter im Sinne des § 25 I Var. 2 StGB ist, wer als Hintermann gegenüber dem Tatmittler („Werkzeug“) eine beherrschende Rolle spielt, weil er die Sachlage richtig erfasst und das Gesamtgeschehen kraft seines planvoll gelenkten Willens in der Hand hält. Die Zurechnung der Tathandlung des Tatmittlers erfolgt kraft überlegenen Wollens, kraft überlegenen Wissens oder ggf. kraft organisatorischen Machtapparates. Wie bei jeder Täterschaft ist aus subjektiver Seite Tatherrschaftswille bzw. Täterwille erforderlich. Eine mittelbare Täterschaft liegt jedenfalls dann vor, wenn das Werkzeug rechtmäßig, ohne Vorsatz oder objektiv tatbestandslos handelt.
modifizierte Vorsatz­theorie (Erlaubnis­tatbestands­irrtum)
Nach der modifizierten Vorsatztheorie lässt der Erlaubnistatbestandsirrtum den Vorsatz nach § 16 I StGB entfallen, wenn sich der Täter nicht der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewusst ist. Siehe auch: strenge Schuldtheorie, eingeschränkte Schuldtheorie
neutrale Beihilfe
Unter neutraler Beihilfe versteht man ein Hilfeleisten ohne oder mit schwach ausgeprägtem voluntativen Element. Hält es der Hilfeleistende nur für möglich, dass sein Beitrag für eine Straftat genutzt wird, scheidet Beihilfe aus. Hat er hingegen sicheres Wissen, liegt Beihilfe vor. Hält sich der Betreffende im Rahmen des Geschäftsüblichen und bewegt sich professionell adäquat, wird das Hilfeleisten nicht als Beihilfe angesehen.
Nötigungs­notstand
Der Nötigungsnotstand wird im Rahmen der Angemessenheit in Konstellationen diskutiert, in denen der Täter zu einer Straftat gezwungen wurde. Dann ist [1] der Täter nicht durch den Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt, sondern allenfalls nach § 35 StGB entschuldigt, [2] § 34 StGB auch bei einem Genötigten anwendbar und führt zu seiner Rechtfertigung oder [3] § 34 StGB nur anzuwenden, wenn im Vergleich zu dem angedrohten Übel von dem Genötigten nur eine geringfügige Rechtsgutsverletzung herbeizuführen ist.
Notwehr / Nothilfe
Die Notwehr ist ein Rechtfertigungsgrund, der eine Notwehrlage, eine Notwehrhandlung sowie ein subjektives Rechtfertigungselement voraussetzt. Eine Notwehrlage ist ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf die Rechtsgüter des Täters (Notwehr) oder eines Dritten (Nothilfe). Eine Notwehrhandlung ist die erforderliche und gebotene Verteidigung gegen die Rechtsgüter des Angreifers. Das subjektive Rechtfertigungselement bei der Notwehr erfordert [1] lediglich Kenntnis des Täters von der Notwehrsituation, [2] dass die Verteidigung das Hauptmotiv des Täters sein muss (Verteidigungswille) oder [3] dass das Motiv der Verteidigung nicht völlig in den Hintergrund gedrängt wird.
Notwehr­exzess (Überschreitung der Notwehr)
Der Notwehrexzess ist ein Entschuldigungsgrund, bei dem der Täter die Grenzen der Notwehr überschreitet. Intensiver Notwehrexzess: Überschreitet der Täter (Verteidiger) bei bestehender Notwehrlage die Grenzen der Notwehr hinsichtlich der Erforderlichkeit aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so ist er nach § 33 StGB entschuldigt. Extensiver Notwehrexzess: Verteidigt sich der Täter, obwohl der Angriff noch nicht oder nicht mehr gegenwärtig ist und somit keine Notwehrlage besteht, so ist der Täter nach § 33 StGB [1] entschuldigt, [2] nicht entschuldigt oder [3] nur beim nicht mehr gegenwärtigen (nachzeitigen) extensiven Exzess entschuldigt. § 33 StGB findet keine Anwendung bei Absichtsprovokation. Siehe auch: Putativnotwehrexzess
Notwehr­provokation
Notwehrprovokation kann die Notwehr im Rahmen der Gebotenheit einschränken. Von Notwehrprovokation wird gesprochen, wenn der Verteidiger den Angriff veranlasst hat. Ob die Provokation die Notwehr einschränkt, hängt davon ab, wie sich der Täter in die Situation begibt (absichtlich, vorsätzlich, fahrlässig, schuldhaft) und welche Rechtsnatur sein Verhalten hat (rechtmäßig, neutral, rechtswidrig). Hat der Verteidiger den Angriff provoziert (wertende Betrachtung), ist er auf Schutzwehr beschränkt. Absichtliche Provokation: Bei absichtlicher Provokation [1] muss der Provozierte der Provokation widerstehen und dem Verteidiger steht das Notwehrrecht weiterhin zu oder [2] liegt ein Rechtsbruch vor, weshalb sich der Verteidiger nicht auf Notwehr berufen kann. Fahrlässige Provokation: Bei fahrlässiger Provokation [1] ist das Notwehrrecht bei Verteidigungshandlungen im Rahmen der Schutzwehr gegeben oder [2] wird diese in einer Fahrlässigkeitsprüfung der eigentlichen Handlung vorverlagert und dem Täter zugerechnet (actio illicita in causa).
objektive Zurechnung
Der Erfolg ist nur dann objektiv zurechenbar, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen und sich diese auch tatsächlich im konkreten erfolgsverursachenden Geschehen realisiert hat.
Putativ­notwehr­exzess
Als Putativnotwehrexzess wird eine Konstellation bezeichnet, in der sich der Täter irrtümlich Umstände einer Notwehrlage vorstellt und sich entsprechend verteidigt. Dies [1] ist lediglich ein Erlaubnistatbestandsirrtum, [2] führt zur analogen Anwendung des § 33 StGB (Notwehrexzess) oder [3] führt nur zur analogen Anwendung des § 33 StGB, wenn der Verteidiger schuldlos irrt und das Opfer die alleinige Verantwortung für die Situation trägt.
recht­fertigende Einwilligung
Die rechtfertigende Einwilligung ist ein Rechtfertigungsgrund, der beim Einwilligenden objektiv eine Dispositionsbefugnis und den Wille zum Rechtsgutverzicht (ggf. mit Erklärung) sowie subjektiv Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Willensmängelfreiheit erfordert. Beim Täter ist auf subjektiver Ebene [1] Kenntnis von der Einwilligung oder [2] ein Handeln aufgrund der Einwilligung erforderlich.
recht­fertigende Pflichten­kollision
Kommt es zur Kollision zweier Handlungspflichten, so ist der Garant für diejenige Pflicht, welche er nicht erfüllt, gerechtfertigt. Haben beide Handlungspflichten eine unterschiedliche Qualität (Garantenpflicht und Solidarpflicht), so [1] richtet sich die Beurteilung der Rechtswidrigkeit nach der Qualität der zu rettenden Rechtsgüter oder [2] hat die Garantenpflicht Vorrang.
recht­fertigender Notstand
Der rechtfertigende Notstand ist ein Rechtfertigungsgrund, der eine Notstandslage, eine Notstandshandlung sowie ein subjektives Rechtfertigungselement voraussetzt. Die Notstandslage liegt bei einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut des Täters (Notstand) oder eines Dritten (Notstandshilfe) vor. Die Notstandshandlung ist der erforderliche, verhältnismäßige und angemessene Eingriff in fremde Rechtsgüter. Verhältnismäßig ist der Eingriff, wenn das geschützte Rechtsgut dem beeinträchtigten wesentlich überwiegt. Zu berücksichtigen sind dabei: Wertigkeit der Rechtsgüter, Quantität der Verletzung, Grad der drohenden Gefahren, Art und Umfang der Gefahr Vgl. auch: Defensivnotstand, Aggressivnotstand
Rechts­widrigkeit / Recht­fertigungs­grund
Ein tatbestandsmäßiges Verhalten ist rechtswidrig, wenn keine Rechtfertigungsgründe eingreifen. Die Rechtswidrigkeit wird nach der Tatbestandsmäßigkeit geprüft. Nach überwiegender Auffassung erfordern Rechtfertigungsgründe - außer bei Fahrlässigkeitsdelikten - auch ein subjektives Rechtfertigungselement. Im Einzelnen ist strittig, ob beim subjektiven Rechtfertigungselement bloße Kenntnis oder mehr, etwa Absicht, zu fordern ist. Siehe auch: Einwilligung, Notwehr / Nothilfe, rechtfertigender Notstand / Notstandshilfe
rechtswidrig (Angriff)
Rechtswidrig ist ein Angriff, wenn der Angreifende seinerseits nicht gerechtfertigt ist, sich insofern also zumindest objektiv sorgfaltswidrig verhält.
Rücktritts­wille
Der Täter handelt mit Rücktrittswillen, wenn er die Tat [1] ganz und endgültig, [2] im Moment oder [3] in ihrer konkreten Form aufgeben bzw. verhindern will.
Schuld
Schuld ist die individuelle Vorwerfbarkeit. Sie wird nach dem Tatbestand und der Rechtswidrigkeit geprüft und umfasst die Schuldfähigkeit, das Unrechtsbewusstsein (vgl. Verbotsirrtum) und Entschuldigungsgründe. Siehe auch: Notwehrexzess, entschuldigender Notstand
Schuldfähigkeit
Die Schuldfähigkeit ist als Bestandteil der Schuld die Einsichts- und Urteilsfähigkeit im Zeitpunkt der Tathandlung. Kinder (bis 14) sind nicht schuldfähig. Jugendliche (14 - 18) sind schuldfähig, wenn sie die Fähigkeit hatten, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Erwachsene (ab 18) sind außer im Falle von § 20 StGB grundsätzlich schuldfähig (Einsichts- und Urteilsfähigkeit wird vermutet).
strenge Schuld­theorie (Erlaubnis­tatbestands­irrtum)
Nach der strengen Schuldtheorie lässt der Erlaubnistatbestandsirrtum die Schuld nach § 17 StGB entfallen, wenn er sich auf Tatumstände bezieht und vermeidbar war. Der Irrtum ist vermeidbar, wenn der Täter ihm bei gehöriger Wissensanspannung nicht unterlegen wäre. Siehe auch: modifizierte Vorsatztheorie, eingeschränkte Schuldtheorie
Tat­entschluss (Versuch)
Der Tatentschluss beim Versuch erfordert einen Vorsatz mit voluntativem Element, wodurch - abhängig vom konkreten Delikt - grundsätzlich dolus directus I und dolus eventualis in Frage kommen. Bei bloßer Tatgeneigtheit liegt noch kein Tatentschluss vor. Beim Versuch eines Unterlassungsdelikts ist zu beachten, dass sich der Täter seiner Garantenstellung bewusst sein muss.
Täter hinter dem Täter
Als Täter hinter dem Täter wird die Konstellation bezeichnet, bei welcher der Vordermann einen vermeidbaren Verbotsirrtum und deshalb ebenso wie der Hintermann Täterqualität hat. Dann ist [1] mittelbare Täterschaft trotzdem möglich, [2] der Hintermann wegen des Verantwortungsprinzips lediglich Teilnehmer oder [3] mittelbare Täterschaft nur möglich bei einer Wahnvorstellung oder Rechtsblindheit des Vordermanns.
Täterschaft (Tat­herrschaft / Täterwille)
Täter ist, [1] wer die Tat als eigene will (subjektive Theorie mit Täterwillen) oder [2] wer die Tat beherrscht, sie nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann und damit als Zentralgestalt des Geschehens bei der Verwirklichung des Tatbestands fungiert (Tatherrschaftslehre mit objektiver Tatherrschaft und subjektiven Tatherrschaftswillen). Siehe auch: mittelbare Täterschaft, Mittäterschaft
Tatumstands­irrtum (Tatbestands­irrtum)
Wer bei Tatbegehung einen Umstand nicht kennt, der zum objektiven Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Eine Abweichung des vorgestellten vom tatsächlichen Kausalverlauf ist grundsätzlich unbeachtlich, wenn die Abweichung sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält (unwesentlich ist). Siehe auch error in persona und aberratio ictus.
Teilnahme
Teilnehmer ist, [1] wer die Tat als fremde will (subjektive Theorie mit Teilnehmerwille) oder [2] wer keine Tatherrschaft hat (Tatherrschaftslehre). Siehe auch: Anstiftung, Beihilfe Teilnahme ist die Beteiligung als Anstifter oder Gehilfe an fremder Tat. Sie ist akzessorisch, setzt also eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat voraus. Dabei müssen jedoch nicht unbedingt alle Merkmale des Täters beim Teilnehmer erfüllt sein. Siehe: limitierte Akzessorietät
Überwacher­garant (Sicherungs­pflichten)
Der Überwachergarant hat gegenüber der Welt die Pflicht, sie vor Dritten zu beschützen (Sicherungspflichten). Überwachergarant ist, wer Verkehrssicherungspflichten hat. Darüber hinaus kann jemand auch durch die Übernahme von Überwachungs- und Sicherungspflichten Überwachergarant werden, etwa durch die Beaufsichtigung Dritter. Sicherungspflichten können auch aus Ingerenz entstehen.
Umstiftung
Umstiftung ist eine Form der Anstiftung, bei welcher der Anstifter den Haupttäter zu einem anderen Delikt bestimmt. Sie wird wie eine gewöhnliche Anstiftung behandelt.
unmittelbar ansetzen (Versuchs­beginn)
Der Täter setzt unmittelbar an (beginnt den Versuch), wenn er eine Handlung vornimmt, die nach seiner Vorstellung räumlich-zeitlich der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung unmittelbar vorgelagert ist, also nach natürlicher Auffassung als deren Bestandteil erscheint. Auf eine objektive Gefährdung kommt es nicht an. Unterlässt der Täter trotz Handlungspflicht eine Handlung, so beginnt der Versuch [1] mit Verstreichenlassen der ersten bzw. [2] letzten Rettungsmöglichkeit oder [3] wenn nach Vorstellung des Garanten durch die Verzögerung einer Rettungshandlung eine unmittelbare Gefahr für das Handlungsobjekt entsteht oder der Täter den Kausalverlauf aus der Hand gibt.
Verbotsirrtum / Gebotsirrtum
Wer bei Tatbegehung in Kenntnis der Tatumstände über das Verboten- oder Gebotensein seines Verhaltens unvermeidbar irrt, handelt ohne Schuld. Der Verbotsirrtum ist unvermeidbar, wenn er auch bei hinlänglicher Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können.
Vollendung der Tat verhindern (Rücktritt)
Der Täter verhindert die Vollendung einer Tat, wenn er [1] sich ernsthaft darum bemüht oder [2] eine mitursächliche Kausalkette in Gang setzt. Für § 24 I 2 StGB ist neben dem ernsthaften Bemühen erforderlich, dass der Täter ihm bekannte und zur Verfügung stehende Rettungsmöglichkeiten im Rahmen des Gebotenen ausschöpft. Für § 24 II 2 Var. 1 StGB hingegen ist es lediglich erforderlich, dass der Täter eine geeignete und ihm auch ausreichend erscheinende Maßnahme ergreift.
Vorsatz (vorsätzlich)
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes (voluntatives Element) in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände (kognitives Element), vgl. auch § 16 I StGB. Man unterscheidet zwischen dolus directus I, dolus directus II und dolus eventualis. Das kognitive Element (Wissenselement) erfordert bei deskriptiven (beschreibenden) Tatbestandsmerkmalen die Erfassung ihres natürlichen Sinngehalts und bei normativen Tatbestandsmerkmalen deren Verständnis bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre. Für vorsätzliches Unterlassen muss der Täter insbesondere Kenntnis hinsichtlich der tatsächlichen Umstände seiner Garantenstellung haben. Ihm muss darüber hinaus die ihm konkret mögliche Rettungshandlung bewusst gewesen sein.
Wahndelikt
Ein Wahndelikt ist immer straflos und liegt vor, wenn der Täter einem umgekehrten Verbotsirrtum unterliegt, er sich also strafbar wähnt, wo es keinen entsprechenden Straftatbestand gibt. So liegt auch ein Wahndelikt vor, wenn der Täter bei zutreffender Kenntnis der äußeren Umstände fälschlicherweise meint, für ihn gebe es eine Handlungspflicht.
Weichen­stellerfall / symmetrische Rettungs­chancen
Der Weichenstellerfall wird im Rahmen der Angemessenheit des rechtfertigenden Notstands diskutiert und beschreibt einen Fall symmetrischer Rettungschancen, bei dem die Überlebenschancen von Personen reduziert werden, die bisher nicht gefährdet waren, um die bis dahin Gefährdeten zu retten. Dies ist [1] nicht angemessen und damit rechtswidrig oder [2] im Rahmen eines übergesetzlichen entschuldigenden Notstands zu beurteilen.
Wille zum Rechtsgut­verzicht / Einwilligungs­erklärung
Der Wille zum Rechtsgutverzicht ist eine objektive Voraussetzung der rechtfertigenden Einwilligung und erfordert [1] einen innerlich gebildeten Willen des Disponierenden oder [2] eine nach außen kundgegebende Erklärung (Einwilligungserklärung).
zumutbar (Unterlassen)
Die Erfüllung einer Handlungspflicht ist zumutbar, wenn auf der Opferseite mehr als nur geringfügige Rechtsgutseingriffe zu befürchten sind.