Philipp Guttmann, LL. B.

Definitionen: Staatsrecht (StaatsR)

39 Definitionen und Erklärungen zum StaatsR
allgemeine Gesetze
Allgemeine Gesetze im Rahmen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts des Art. 5 II GG sind solche, welche die Grundrechtsausübung nicht per se verbieten, sondern einem höheren Interesse dienen. Siehe auch: Recht der persönlichen Ehre
Aus­strahlungs­wirkung / mittelbare Dritt­wirkung
Der objektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte entfaltet Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Rechtsordnung. Deshalb müssen Grundrechte bei der Anwendung und Auslegung des gesamten Rechts beachtet werden (grundrechtskonforme Auslegung). Dadurch entfalten Grundrechte insbesondere im Zivilrecht mittelbare Drittwirkung.
Beruf
Ein Beruf ist jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient.
Berufsfreiheit
Die Berufsfreiheit im Rahmen des Art. 12 I GG umfasst die (positive und negative) Freiheit der Berufswahl, einschließlich des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, und der Berufsausübung.
derivater Leistungs­anspruch
Ein derivater Leistungsanspruch ist ein Recht auf gleiche Beteiligung an bestehenden staatlichen Einrichtungen und Leistungssystemen auf Grundlage des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 I GG.
Drei-Stufen-Theorie
Die Drei-Stufen-Theorie im Rahmen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 12 I 2 GG der Berufsfreiheit beschreibt, welche Voraussetzungen für die Rechtfertigung (Schranken) bei welcher Art des Eingriffs in die Berufsfreiheit gelten:
  1. Berufsausübungsregelung: Rechtfertigung nur durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls
  2. Subjektive Zulassungsbeschränkung (Berufswahl): Rechtfertigung nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter
  3. Objektive Zulassungsbeschränkung (Berufswahl): Rechtfertigung nur zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter
Eingriff
Ein Eingriff ist jedes zurechenbare staatliche Handeln, das in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreift und deren Ausübung einschränkt, behindert oder gefährdet. Siehe auch: klassischer Eingriff, faktischer Eingriff
faktischer Eingriff
Ein faktischer Eingriff ist ein faktischer, mittelbarer staatlicher Realakt, der die Grundrechtsausübung behindert oder gefährdet. Vgl. auch: klassischer Eingriff
forum externum
Forum externum ist im Rahmen des Art. 4 I, II GG die (positive und negative) Freiheit des Äußerns und Handelns nach der Glaubens- oder Gewissensentscheidung. Hierzu zählen insbesondere die Bekenntnisfreiheit (Art. 4 I GG) und die ungestörte Religionsausübung (Art. 4 II GG). Siehe auch: forum internum
forum internum
Forum internum ist im Rahmen des Art. 4 I, II GG die (positive und negative) Freiheit zur Bildung und des Innehabens eines Glaubens oder Gewissens. Siehe auch: forum externum
freies Mandat
Freies Mandat bezeichnet den in Art. 38 I 2 GG normierten verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass die Abgeordneten des Bundestags an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, sondern allein ihrem Gewissen unterworfen sind.
friedlich
Eine Versammlung ist friedlich, wenn sie nicht kollektiv unfriedlich ist, also die Versammlung nicht im Ganzen einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf annimmt oder der Veranstalter oder sein Anhang einen solchen Verlauf anstreben oder billigen.
gegenwärtig betroffen
Der Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde ist gegenwärtig betroffen, wenn er schon oder noch betroffen ist. Gegenwärtig betroffen ist darüber hinaus jemand auch, wenn ein Gesetz seine Adressaten bereits jetzt zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder zu Dispositionen veranlasst, die sie nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen können. Ein Antrag auf einstweilige Anordnung kann ausnahmsweise auch schon unmittelbar vor Verkündung eines Gesetzes gestellt werden, wenn zwischen Verkündung und Inkrafttreten kein effektiver Grundrechtsschutz mehr möglich wäre. Vergangene Beeinträchtigungen sind ausnahmsweise gegenwärtig, wenn von ihnen weiterhin eine beeinträchtigende Wirkung ausgeht oder eine Wiederholung zu befürchten ist.
Gesetzes­vorbehalt (Grund­rechte)
Grundrechte gibt es mit einfachem Gesetzesvorbehalt oder mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt. Bei letzterem knüpft der Vorbehalt an eine zusätzliche Voraussetzung an, die das die Grundrechte einschränkende Gesetz erfüllen muss (etwa in Art. 5 II, 6 III, 10 II 2, 11 II, 14 III, 16 II 2 GG). Daneben gibt es Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt, die zwar vorbehaltslos, aber nicht schrankenlos sind, sondern ihre Schranken im Grundgesetz selbst (kollidierendes Verfassungsrecht) finden. Hierzu ist eine Güterabwägung in Form der praktischen Konkordanz vorzunehmen. Einzig der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 I GG) ist vorbehaltslos und schrankenlos - er wird ausnahmslos gewährleistet.
Gewissen
Gewissen im Rahmen des Art. 4 I, II GG ist die individuelle innere moralische Steuerung hinsichtlich Entscheidungen, die als innerlich bindend und verpflichtend empfunden werden und eine individuelle Verantwortlichkeit für das Handeln erzeugen. Siehe auch: Glaube
Glaube / Religion / Welt­anschauung
Glaube im Rahmen des Art. 4 I, II GG sind individuelle und kollektive Überzeugungen und Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens mit transzendentem (Religion) oder immanentem (Weltanschauung) Bezug. Siehe auch: Gewissen
Handlungs­freiheit
Die Handlungsfreiheit im Rahmen des Art. 2 I GG umfasst jedes menschliche Tun und Unterlassen, unabhängig von dem Gewicht, welches das Verhalten zur Persönlichkeitsentfaltung einnimmt.
Immunität
Immunität besitzen die Abgeordneten des Bundestags gemäß Art. 46 II, III, IV GG. Demnach dürfen Abgeordnete nur mit Genehmigung des Bundestags bei mit Strafe bedrohten Handlungen zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden (Art. 46 II GG). Ausnahmsweise gilt das nicht, wenn der Abgeordnete bei Begehung der Tat oder im Laufe des darauf folgenden Tages festgenommen wird (Art. 46 II ltz. Hs. GG). Siehe auch: Indemnität
Indemnität
Indemnität besitzen die Abgeordneten des Bundestags gemäß Art. 46 I GG. Demnach dürfen Abgeordnete zu keiner Zeit - also auch nicht nach Ende ihres Mandats - wegen ihrer Abstimmungen oder Äußerungen im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestags zur Verantwortung gezogen werden. Ausnahme davon bilden verleumderische Beleidigungen gemäß § 187 StGB. Siehe auch: Immunität
Informations­freiheit
Die Informationsfreiheit im Rahmen des Art. 5 I 1 GG umfasst die (positive und negative) Freiheit, Informationen aus tatsächlich allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu erhalten, diese aufzunehmen sowie technische Anlagen zu beschaffen und zu nutzen, die für den Zugang erforderlich sind.
klassischer Eingriff
Ein klassischer Eingriff ist ein unmittelbarer, finaler (gezielter), imperativer (durch Ge- oder Verbot) staatlicher Rechtsakt, der zu einer Einschränkung grundrechtlicher Freiheiten führt. Vgl. auch: faktischer Eingriff
Leben und körperliche Unversehrt­heit
Leben und körperliche Unversehrtheit im Rahmen des Art. 2 II GG umfassen die biologisch-physische Existenz sowie die physiologische und (soweit dieser gleichzusetzen) auch die psychologische Gesundheit eines Menschen.
Meinungs­freiheit
Die Meinungsfreiheit im Rahmen des Art. 5 I 1 GG umfasst die (positive und negative) Freiheit des Innehabens und Äußerns von Werturteilen sowie wertungsunterstützender (nicht eindeutig unwahrer) Tatsachen.
Mitglieder­mehrheit
Mitgliedermehrheit ist die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl (Art. 121 GG). Sie ist für die Wahl des Bundeskanzlers im Bundestag (Art. 63 II 1 GG) und des Bundespräsidenten in der Bundesversammlung (Art. 54 VI 1 GG) - jedenfalls in den ersten zwei Wahlgängen - erforderlich. Darüber hinaus werden die Richter des Bundesverfassungsgerichts durch eine qualifizierte Mitgliedermehrheit gewählt. Demnach ist gewählt, wer zwei Drittel der Stimmen von mindestens der Hälfte der Mitglieder erhält (§ 6 I 2 BVerfGG).
originärer Leistungs­anspruch
Ein originärer Leistungsanspruch ist ein subjektives Recht auf staatliches Tun, das - als Ausnahmefall - unmittelbar aus Freiheitsgrundrechten abgeleitet wird (etwa die Gewährleistung des Existenzminimums).
Presse­freiheit
Die Pressefreiheit im Rahmen des Art. 5 I 2 GG umfasst die (positive und negative) Freiheit der Informationsbeschaffung, Gestaltung, Herstellung (auch Vervielfältigung) und Verbreitung (auch Vertrieb) von verkörperten Presseerzeugnissen.
Recht der persönlichen Ehre
Das Recht der persönlichen Ehre im Rahmen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts des Art. 5 II GG umfasst das Persönlichkeitsrecht, insbesondere das besondere Persönlichkeitsrecht der §§ 185 ff. StGB. Siehe auch: allgemeine Gesetze
Rechte anderer
Rechte anderer im Rahmen des Gesetzesvorbehalts des Art. 2 I 2. Hs. GG (Schrankentrias) sind alle von der Rechtsordnung geschützten privaten und subjektiv-öffentlichen Rechte. Siehe auch: Sittengesetz, verfassungsmäßige Ordnung
Rechts­weg­erschöpfung
Der Rechtsweg beginnt bei der Verwaltung und endet mit der Entscheidung, gegen die kein (höheres) Fachgericht mehr angerufen werden kann. Er ist bei einer Verfassungsbeschwerde erschöpft, wenn der Beschwerdeführer alle prozessualen Möglichkeiten zur Beseitigung der behaupteten Grundrechtsverletzung in Anspruch genommen hat. Hierfür darf der Beschwerdeführer die prozessualen Möglichkeiten nicht versäumt haben.
Rundfunk­freiheit
Die Rundfunkfreiheit im Rahmen des Art. 5 I 2 GG umfasst die (positive und negative) Freiheit der Gestaltung und elektronischen Übertragung von Inhalten an eine unbestimmte Personenzahl.
selbst betroffen
Der Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde ist selbst betroffen, wenn er in seinen eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten betroffen ist, wozu er nicht zwingend Adressat des Aktes der öffentlichen Gewalt sein muss (siehe auch mittelbare Drittwirkung). Eine Prozessstandschaft, also die Geltendmachung fremder Rechte, ist nur zulässig, sofern der Träger der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte diese nicht selbst geltend machen kann.
Sittengesetz
Sittengesetz im Rahmen des Gesetzesvorbehalts des Art. 2 I 2. Hs. GG (Schrankentrias) meint und nimmt Bezug auf die zivilrechtlichen Grundsätze zur Sittenwidrigkeit des § 138 BGB. Siehe auch: Rechte anderer, verfassungsmäßige Ordnung
Tatsache
Eine Tatsache ist ein vergangener oder gegenwärtiger Vorgang oder Zustand der Außenwelt oder des Innenlebens, der sinnlich wahrnehmbar in Erscheinung getreten und so dem Beweis zugänglich ist. Vgl. auch: Werturteil
unmittelbar betroffen
Der Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde ist unmittelbar betroffen, wenn der angegriffene Akt der öffentlichen Gewalt bereits selbst in seine Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte eingreift. Es darf also kein (Vollziehungs-)Akt dazwischenliegen bzw. die Rechtsnorm darf ihren Vollzug nicht durch Behörden und Gerichte angelegt haben. Ausgenommen davon sind Sanktionen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, da ihr Abwarten nicht zugemutet werden kann.
Untermaß­verbot
Das Untermaßverbot verpflichtet den Staat, ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art für einen angemessenen und wirksamen Schutz der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter zu ergreifen. Art, Nähe und Ausmaß möglicher Gefahren bestimmen die Notwendigkeit und den Inhalt rechtlicher Regelungen, wobei eben jenes bestimmte Maß nicht unterschritten werden darf.
verfassungs­mäßige Ordnung
Die verfassungsmäßige Ordnung im Rahmen des Gesetzesvorbehalts des Art. 2 I 2. Hs. GG (Schrankentrias) ist die gesamte verfassungsmäßige Rechtsordnung sowie untergesetzliche Rechtsnormen, solange sie formell und materiell verfassungsmäßig sind. Siehe auch: Sittengesetz, Rechte anderer
Versammlung
Eine Versammlung ist die örtliche Zusammenkunft mehrerer Menschen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, ohne dass eine verbale Kommunikation nötig ist. Nach der Rechtsprechung ist zudem die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung und -äußerung erforderlich.
Versammlungs­freiheit
Die Versammlungsfreiheit im Rahmen des Art. 8 GG umfasst die (positive und negative) Freiheit über die Durchführungsweise (Ort, Zeit, Art, Inhalt) einer friedlichen und waffenlosen Versammlung sowie den Schutz der Organisation und Einladung als auch An- und Abreise der Teilnehmer.
Werturteil
Ein Werturteil ist eine subjektive Meinungsäußerung etwa in Form persönlicher Wertungen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen, die nicht dem Beweis zugänglich ist. Vgl. auch: Tatsache