Philipp Guttmann, LL. B.

StGB AT: Vorsatz und Fahr­lässigkeit (§ 15 StGB)

Dieses Repetitorium behandelt das vorsätzliche und das fahrlässige Erfolgsdelikt im Strafrecht (§ 15 StGB) mit Erklärungen, Definitionen, Schemata und Streitständen.

Inhaltsübersicht und Vorbemerkung

Das Repetitorium zum StGB AT geht über den allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches (StGB), Abschnitt 2, Die Tat (§§ 13 - 37 StGB):


Bei Anmerkungen, Verbesserungsvorschlägen oder Fehlern können Sie sich gerne bei mir melden: ed.nnamttug-ppilihp@liam

Grundsätze

Nach § 15 StGB ist fahrlässiges Handeln nur strafbar, wenn es ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Ansonsten ist nur vorsätzliches Handeln strafbar.

Vollendetes vorsätzliches Erfolgsdelikt

Aufbau[1]

  1. Objektiver Tatbestand
    1. Erfolg
    2. Handlung
    3. Kausalität
    4. Objektive Zurechnung
  2. Subjektiver Tatbestand
    1. Vorsatz
    2. Sonstige subjektive Merkmale (Absichten, Motive)
  3. Objektive Bedingung der Strafbarkeit (Tatbestandsannex)
  4. Rechtswidrigkeit
  5. Schuld

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände.[2]

  • dolus directus I (Absicht): Dem Täter kommt es gerade darauf an, den Erfolg herbeizuführen oder einen bestimmten Umstand zu verwirklichen - zielgerichtetes, absichtliches Handeln.[3]
  • dolus directus II (Direkter Vorsatz): Der Täter weiß oder sieht als sicher voraus, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht - wissentliches Handeln.[4]
  • dolus eventualis (bedingter Vorsatz)
    • notwendiges kognitives Element: Der Täter muss die (Gefahr der) Verwirklichung des Tatbestandes für konkret möglich (Schmidhäuser, Morkel) oder wahrscheinlich (Koriath, Prittwitz) halten, oder die ernst zu nehmende Gefahr erkannt haben (Herzberg).[5]
    • ggf. voluntatives Element: Der Täter muss den Erfolg des Tatbestands billigend in Kauf nehmen (BGH, Fischer) oder gleichgültig hinnehmen (Engisch, Beulke), oder die Möglichkeit der Rechtsgutverletzung ernst nehmen und sich mit ihr abfinden (Kühl, Roxin).[6]
    • Ausnahme: Der Täter handelt nicht bedingt vorsätzlich, wenn er darauf vertraut (Weigend, Kühl, Roxin) bzw. hofft (BGH, Engisch, Beulke, Fischer), dass der Erfolg ausbleiben werde.[6]

Vollendetes fahrlässiges Erfolgsdelikt

Aufbau[7]

  1. Objektiver Tatbestand
    1. Erfolg
    2. Handlung
    3. Kausalität
    4. Objektive Sorgfaltswidrigkeit (objektive Fahrlässigkeit)
    5. Objektive Zurechnung
  2. Rechtswidrigkeit (ohne subjektives Element)[8]
  3. Schuld
    1. Individuelle Sorgfaltswidrigkeit (Vorhersehbarkeit, Vermeidbarkeit) (subjektive Fahrlässigkeit)
    2. Schuldausschließungsgründe

Hinweis: Dies ist der klassische Aufbau mit der individuellen Sorgfaltswidrigkeit in der Schuld. Ein alternativer Aufbau prüft diese bereits im Tatbestand.[9]

Objektiver Tatbestand: Objektive Sorgfaltswidrigkeit (Fahrlässigkeit)

Jemand handelt sorgfaltswidrig, wenn er nicht die Sorgfalt angewendet hat, die von einem besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Täters zu erwarten ist.[10] Unter Umständen kann auch Sonderwissen und ggf. Sonderkönnen berücksichtigt werden.[11] Zur Bestimmung der Sorgfaltspflichten wird dabei oft auf spezielle außerstrafrechtliche Normen zurückgegriffen.[12]

Daneben wird auch häufig die Definition der Fahrlässigkeit aus dem Zivilrecht herangezogen, wonach derjenige fahrlässig handelt, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.[12] Fehlen Maßstäbe für die Sorgfalt, muss festgestellt werden, ob ein Durchschnittsbetrachter und der Täter in der Lage waren, den Verlauf der Dinge vorherzusehen und die Herbeiführung des Erfolges zu vermeiden.[13]

Bei sorgfaltswidrigem Unterlassen kann sich die Sorgfaltswidrigkeit insbesondere aus der fehlerhaften Vornahme der Rettungshandlung, dem Verkennen der Garantenstellung oder von Rettungsmöglichkeiten ergeben.[14]

Beim alternativen Aufbau: Für einen (vertretbaren) Aufbau, der die individuelle Sorgfaltswidrigkeit im Tatbestand prüft, gelten zumeist abweichende Kriterien, welche die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters zum Maßstab nehmen.[15]

Einzelnachweise

  1. vgl. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, Vor § 13
  2. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 7
  3. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 9 f.
  4. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 11
  5. vgl. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 15
  6. vgl. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 16
  7. vgl. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 53, 69
  8. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 68
  9. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 53 ff.
  10. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 60
  11. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 61
  12. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 64
  13. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 65
  14. Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 66
  15. siehe Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Auflage, 2014, § 15, Rn. 54, 58 ff.